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Das Internet ist von Psychologen bisher in erster Linie als
Informationsquelle verstanden worden (Kelley-Milburn &
Milburn, 1995). Eine weitere Nutzungsmöglichkeit
besteht in der Datensammlung, die entweder über die
Beobachtung von Kommunikationsströmen (siehe Hewson,
Laurent, & Vogel, 1996), mittels weicher Methoden wie
Umfragen (siehe Kapitel 10) oder als harte
Experimentalforschung erfolgen kann. Diesem letzten Aspekt
ist das vorliegende Kapitel gewidmet. Obgleich zwar
prinzipiell auch über andere Internetdienste
Experimente durchgeführt werden können, hat sich
faktisch das World Wide Web (WWW, oder Web), der graphische
Teil des Internets, als Medium der Wahl für das
Experimentieren im Internet
durchgesetzt(1).
Dieses Kapitel
bezieht sich deshalb terminologisch überwiegend auf
Web-Experimente, also Experimente, die im WWW
durchgeführt
werden(2).
Die Inhalte lassen sich aber
meist auch auf das
Experimentieren mit anderen Internetdiensten
übertragen. Web-Experimente sind ein sehr junges Werkzeug
der Experimentalforschung, dessen Reliabilität noch
nicht geklärt ist, das aber großes Potential zu
besitzen verspricht. Wie sich zeigen wird, ermöglichen
die schnelle Entwicklung und weite Verbreitung des WWW eine
ganz neue Forschungsmethodik, die die Überwindung
einiger der bisherigen Grenzen psychologischer Forschung zu
relativ niedrigen Kosten bedeuten könnte.
Web-Experimente unterscheiden sich grundsätzlich von
Labor- und Feldexperimenten, die traditionellerweise in der
Psychologie durchgeführt werden. Dieses Kapitel soll
einen Überblick über die Vor- und Nachteile von
Web-Experimenten geben, die wesentlichen Komponenten eines
Web-Experiments beschreiben und anhand eines Beispiels aus
einem Virtuellen Psychologielabor (Reips, 1995) die
konkrete Umsetzung eines Forschungsvorhabens in das neue
Medium WWW verdeutlichen. Eine methodische Diskussion des
Web-Experimentierens im Rahmen dieses Kapitels zeigt teils
in Abhebung von den Nachteilen der laborexperimentellen
Methode einige der Vorteile von Web-Experimenten: (1)
leichte Erreichbarkeit eines zahlenmäßig und
geographisch fast nicht begrenzten Versuchspersonenpools, in
dem auch Versuchspersonen aus sehr spezifischen und bisher
nicht zugänglichen Zielgruppen sind; (2) das Experiment
kommt räumlich zur Versuchsperson anstatt umgekehrt;
(3) die hohe statistische Power durch eine große
Stichprobengröße erlaubt das Beibehalten eines
konventionellen a-Niveaus; und (4) reduzierte Kosten, da
weder Versuchsräume noch anwesende Experimentatoren
gebraucht werden. Problematische Aspekte von
Web-Experimenten und mögliche Lösungen werden
ebenfalls betrachtet.
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